Ein Bericht für eine Akademie
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Ein Bericht für eine Akademie

Erzählung von Franz Kafka

Die Erzählung

Der Hintergrund der Geschichte ist kafkaesk genug. Der Menschenaffe Rotpeter berichtet vor einem akademischen Publikum von seiner Vermenschlichung. An sein äffisches Vorleben kann er sich kaum noch erinnern. Sein neues Leben beginnt nach der Gefangennahme in Afrika während der Schiffsüberfahrt nach Europa. Auf dem Schiff wird er in einen zu engen Käfig gepfercht und dient den Matrosen als Objekt geschmackloser und derber Späße.

Die gedemütigte Kreatur versucht, das Beste aus der misslichen Lage zu machen. Die Freiheit ist nicht wieder zu erlangen, so sucht er nach einem Ausweg, der ihn überleben lässt: Der Affe imitiert die menschlichen Laute, lernt sprechen und erstaunt damit die Menschen in seiner Umgebung über alle Maßen. Sie lehren ihn Kunststückchen und das Alkohol-Trinken. Immer weiter wird er zum Menschen trainiert und zur Vorführ-Attraktion ausgebildet. So kann er schließlich in einen Herrenanzug gewandet. Zeugnis ablegen von seinem Werdegang.

„Nein, Freiheit wollte ich nicht. Nur einen Ausweg; rechts, links, wohin immer; ich stellte keine anderen Forderungen; sollte der Ausweg auch eine Täuschung sein; die Forderung war klein, die Täuschung würde nicht größer sein.“

In ihrer Inszenierung legten Guido Schmitt und Hansdieter Heiter Wert darauf, die Zwiespälte darzustellen, die den Affenmenschen plagen. Rotpeter kann das Tier, das er war, nicht verbergen. Trotz Anzug, trotz Sprache und menschlicher Gewohnheiten bleibt er Affe in Geste und Körpersprache halb tragisch, halb komisch, ein Zwitterwesen im Dilemma zwischen verlorener Identität und Anpassung. Für die Anpassung zahlt er einen hohen Preis. Wortreich bagatellisiert er selbst üble Scherze und Quälereien seiner Umgebung, um weiterhin an die Fiktion zu glauben, er sei akzeptiert. So sehr er sich auch anstrengt, so stolz er ist auf seinen Ausweg der Vermenschlichung: Die Sehnsucht des bestaunten Exoten nach Gemeinschaft und echter Aner­kennung bleibt unerfüllt.

Ausweg und Freiheit das sind die beiden zentralen Begriffe der Erzählung der konkrete Ausweg als Gegenpart zu einer nicht greifbaren Freiheit. Der Affe muss sich in jeder Lebenssituation mit einem Ausweg begnügen. Er sucht weder Freiheit noch Lebensentwurf.

So ist die Geschichte eine Parabel auf die soziale Enge menschlicher Gesellschaft, den starken Wunsch nach Anerkennung und auf die Macht der Ausgrenzung. In diesem Thema spiegelt sich die jüdische Herkunft Kafkas. Hier werden Grundfragen aufgeworfen wie die Wahrung von Identität und das Scheitern der Integration durch Anpassung -das Jahrhunderte alte Dilemma von Juden in der Diaspora.

Kafka selbst hat die Eskalation im Nationalsozialismus nicht mehr erlebt. Er schrieb die Erzählung Ein Bericht für eine Akademie im Jahre 1917. Sie erschien noch im selben Jahr in der Zeitschrift „Der Jude“ des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber. 1919 wurde sie in Kafkas Erzählband „Ein Landarzt“ veröffentlicht.

Mitwirkende

Affe

Regie

Kostüm und Bühne

Maske

Guido Schmitt

Hansdieter Heiter

Gabi Klinke

Hasso von Hugo, Franzi Franz

Preis an der Abendkasse:

23,90 Euro

Termine

Samstag

Freitag

14.10.2023

20.10.2023

1900 Uhr

2000 Uhr

Ein Bericht für ein Publikum

Im Sommer 1982 kam ich zum ersten Mal mit der Erzählung Ein Bericht für eine Akademie von Franz Kafka in Berührung. Anlass war die Begegnung mit dem Schauspieler Günter Meisner, der inzwischen verstorben ist. Meisner studierte damals das Stück in englischer Sprache ein, um es in New York zu spielen.

Während der Vorbereitung gingen Günter Meisner und ich des Öfteren nachts zum Rundfunksender SFB und bestachen einen Filmvorführer mit hundert Mark. Dadurch konnten wir uns im Vorführraum eine verfilmte Inszenierung von Willy Schmidt aus dem Jahr 1962 mit Klaus Kammer als Affe ansehen. Auf Anhieb begeisterte mich der psychologische und phi­losophische Text Kafkas. Zu meinen Lieblingssätzen gehört das folgende Zitat: „Von heute aus gesehen scheint es mir, als hätte ich zumindest geahnt, dass ich einen Ausweg finden müsse, wenn ich leben wolle, dass dieser Ausweg aber nicht durch Flucht zu erreichen sei.“

Günter Meisner war der erste, der die Kafka-Erzählung in englischer Sprache auf die Bühne brachte. Er gastierte 1982 mit dem Stück kurz in Berlin, bevor er es in New York uraufführte.

Schon lange lag es mir am Herzen, selbst in die Rolle des Affenmenschen Rotpeter zu schlüpfen.

Ich bin froh, dass ich meinen alten Vorsatz nun verwirklicht habe. Dabei war es mir und meinem Regisseur Hansdieter Heiter wichtig, dass die Inszenierung trotz der gewissen Tragik der Zwittergestalt Rotpeter keine Schwermut hinterlässt; Nachdenklichkeit ja aber auch ein gewisses Schmunzeln.

Ich hoffe, Sie erhalten genauso viel Anregung vom Affen wie ich.

Guido Schmitt Schauspieler